Nein zum Belohnungsschenken, ja zum Freudeschenken

von Dr. Udo Baer

Wir beobachten – und viele Erzieher/innen und Lehrer/innen bestätigen dies –, dass immer mehr Eltern Kindern etwas schenken, um sie zu belohnen. Dies nicht nur einmal, sondern regelmäßig zu allem, was die Kinder gut machen und wo sie Erfolg haben. Viele Kinder werden für Handlungen belohnt, die früher meist selbstverständlich waren.

Ich habe nichts gegen das Schenken. Auf keinen Fall. Ich schenke gerne. Doch wenn alles, was Kinder erfolgreich leisten, mit Geschenken belohnt wird, dann ist dies ein gefährlicher Trend.

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Was beunruhigt unruhige Kinder?

Beitrag von Dr. Udo Baer

Viele Kinder sind unruhig und es gibt zahlreiche Bestrebungen in Schulen, Kindergärten, Elternratgebern und anderem, dass und wie diese Kinder wieder zur Ruhe kommen sollen. Es wird gestritten, ob dies eher über weiche Methoden oder über Regeln und Strafen erfolgen soll. Die Kernfrage allerdings, die als erstes gestellt werden sollte, lautet: Was beunruhigt unruhige Kinder? Wir haben in unseren therapeutischen und pädagogischen Begleitungen von Kindern und Jugendlichen immer wieder die Erfahrung gemacht, dass diese Frage gestellt werden muss, und dass sie nicht immer, aber oft, zu den Quellen der Unruhe führen kann.

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„Aufmerksamkeitsdefizit“ als Schutz

Beitrag von Dr. Udo Baer

 

Ein besonderes Kennzeichen der meisten Kinder, die unter ADHS oder ADS leiden, besteht darin, dass sie in ihren Sinneswahrnehmungen über sehr wenige Filter verfügen, sehr durchlässig und „dünnhäutig“ sind.

Wir Menschen nehmen in jeder Sekunde unglaublich viele Signale wahr. Das Gehirn muss filtern, weil wir sonst überflutet werden. Nur ein kleiner Promillesatz dessen, was wir wahrnehmen könnten, darf und kann das Gehirn erreichen. Sonst entsteht ein Rauschen und die Menschen können nicht mehr zwischen den verschiedenen Wahrnehmungssignalen differenzieren. Genau das passiert bei vielen Kindern, die unter dem sogenannten „Aufmerksamkeitsdefizit“ leiden.

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Klänge der Zugehörigkeit, Lieder der Sehnsucht, Teil 5: Rhythmus, um zuhören zu lernen.

von Dr. Udo Baer

Erfahrungen und Konzepte interkultureller musiktherapeutischer und musikpädagogischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (2005)

Für eine Gruppe von Kindern der Sinti und Roma im Grundschulalter wird im Rahmen einer Stiftungsaktivität eine musikpädagogische Gruppe angeboten. Es stehen Rhythmusinstrumente zur Verfügung, zum Teil solche aus der Tradition der Sinti und Roma. Die Kinder laufen am Anfang chaotisch durcheinander, klettern durch das Fenster, verlassen durch die Fenster den Raum, kommen und gehen. Jeder Satz, den sie äußern, enthält zahlreiche Schimpfwörter. Die beiden Gruppenleiter/innen werden getestet, ob sie das aushalten oder ob sie auch weggehen, wie alle anderen, die die Kinder verloren haben, und ob auch sie scheitern und für das Scheitern die Kinder verantwortlich machen.

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Klänge der Zugehörigkeit, Lieder der Sehnsucht, Teil 1-5:

Interkulturelle Musiktherapie und -pädagogik zwischen Ideal und Realität.

von Dr. Udo Baer

Erfahrungen und Konzepte interkultureller musiktherapeutischer und musikpädagogischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ( 2005)

Wird der Begriff „interkulturell“ positiv verwendet, unterstellt er die Begegnung zweier oder mehrerer Kulturen und beinhaltet den Wunsch oder gar das Versprechen, dass sich diese Begegnung als fruchtbar für die Entwicklung jeder einzelnen Kultur und deren Zusammentreffen erweisen möge. Wäre dem so, bedürfe es kaum der Musiktherapie in der interkulturellen Arbeit. Wäre interkulturelle Arbeit eine Begegnung zwischen Angehörigen verschiedener in sich halbwegs stabiler Kulturen, dann käme es zu einer Begegnung der Poeten und Musikerinnen, der Sängerinnen und Künstler. Wozu dann Musiktherapie?

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Familie – Krankheit – Selbsthilfe

Beitrag von Dr. Udo Baer

Familie Keller sitzt zusammen bei einer Geburtstagsfeier. Zehn Familieangehörige – Väter, Mütter, Kinder, Enkel, Geschwister – essen miteinander und unterhalten sich. Der Familienvater möchte die Suppe einschenken, seine Hand zittert, er kleckert und lässt schließlich die Kelle fallen. Bleich setzt er sich. Er sagt: „Ich wollte es eigentlich erst nachher sagen: Ich bin krank.“ Er informiert die Familie darüber, dass er an einer chronischen Krankheit leidet und zunehmend zu einem Pflegefall werden wird.

Sofort zeigt sich, dass eine Familie mehr ist als Verwandtschaft und regelmäßige Treffen: Jede Familie hat bestimmte Arten der Kommunikation, der Hierarchien von Aufmerksamkeit und Einfluss, hat Selbstbilder, Atmosphären und andere Eigenschaften. Wie dieses Familiensystem erlebt wird, ändert sich durch eine Krankheit, v.a. eine chronische oder lebensbedrohliche Erkrankung.

Was sich verändern kann, zeigen Studien und Auswertungen unserer Therapie- und Gruppen-Erfahrungen. Betrachten wir als Beispiel Familie Keller:

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Aus der Praxis, für die Praxis: Mia dirigiert

Beitrag von Dr. Udo Baer

In der Schule (oder im Kindergarten) haben wir oft mit Kindern zu tun, die schüchtern sind oder von den lauteren Kindern überstimmt und übertönt werden. Besonders für diese Kinder ist es sinnvoll, dass sie die Möglichkeit bekommen, ein Orchester zu dirigieren.

Eine Dirigentin/ein Dirigent geben dem Orchester vor, welche Musik wie gespielt wird. Sie sind wirksam. Diese Erfahrung ermöglichen wir Kindern, indem sie eingeladen werden, Dirigent/in zu spielen. Dazu braucht es ein Orchester. Die gesamte Gruppe/Klasse oder ein Teil von ihnen wird zu Musikern erklärt. Die Musiker können auf einem Instrument spielen oder als Chor summen oder singen. Es kann ein bestimmtes Lied gesungen werden oder es wird frei musiziert – ganz im Belieben. Ein Kind wird zum Dirigenten oder zur Dirigentin erklärt und erhält einen Taktstock, ein kleines Stöckchen, mit dem dirigiert werden kann (oder sie verwendet ihre Finger als Taktstock).

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Gesundheit Teil 5: Weich bleiben bei chronischen Erkrankungen

 

 

 

Beitrag von Dr. Udo Baer

Zahlreiche Kinder leiden unter chronischen Erkrankungen. Das Spektrum dieser Erkrankungen ist sehr breit und reicht von starken Allergien und Asthma über Epilepsie, Herzerkrankungen, Diabetes, chronische Darmentzündungen, Kopfschmerzen/Migräne bis hin zu ADS/ADHS.

Wenn ein Kind unter einer chronischen Erkrankung leidet, führt dies bei den Kindern und im gesamten familiären Umfeld oft zu einer Verhärtung. Die Eltern machen sich Sorgen und müssen oft kontrollieren, dass das Kind zum Beispiel nichts Falsches isst. Für das Kind gilt dies genauso. Kontrolle ist notwendig. Und dauerhafte Kontrolle kann zu einer verhärteten Atmosphäre führen. Die spielerische Leichtigkeit der Kinder und der spielerische Umgang mit den Kindern können zurücktreten hinter ein angespanntes Kümmern. Die Hochspannung ist nicht wegzubeschließen. Ein Kind, das schwer allergisch ist und wo jeder Bissen eines allergenen Lebensmittels zu lebensgefährlichen Attacken führen kann, braucht Kontrolle.

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Gesundheit Teil 3: Wenn Scham zündelt……

 

 

 

 

Beitrag von Dr. Udo Baer

Dass Kinder sich schämen, ist normal. Die Scham oder Peinlichkeit ist ein Gefühl, das auftritt, wenn Menschen die Grenzen ihrer Intimität verteidigen. Es wird einem Menschen peinlich, wenn andere etwas mitbekommen, was sie nicht wahrnehmen sollen. Wenn ein Kind einen Fehler gemacht hat, können Schamgefühle auftreten. Oder wenn Kinder Geheimnisse bewahren wollen, zum Beispiel, dass sie eine andere Schülerin oder einen anderen Schüler „gern haben“, dann kann es ihnen peinlich sein, dass andere etwas davon mitbekommen.

All dies bezeichnen wir als „natürliche“ Scham. Ein Gefühl, das nützlich ist, um die Grenzen der eigenen Intimität zu bewahren. Doch daneben gibt es die Beschämung, die sich zunächst einmal genauso anfühlt wie die natürliche Scham. Doch die natürliche Scham kommt von innen, die Beschämung kommt von außen. Beschämung bedeutet, dass Menschen vorgeführt und entblößt werden. Beschämung ist oft damit verbunden, dass jemand zu „…“ ist: zu dick, zu dünn, zu schlau, zu dumm, zu deutsch, zu ausländisch, zu groß, zu klein usw..

Beschämung hat für diejenigen, die davon betroffen sind, keinen Sinn. Sie verletzt und erniedrigt. Deswegen ist es wichtig, dass wir unsere Kinder darin unterstützen, sich gegen Beschämung zu wehren. Die Kinder brauchen gegen die Beschämung Parteilichkeit. Und sie brauchen uns Erwachsene als Vorbilder, dass auch wir voran gehen, gegen Beschämung aufzutreten.

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Gesundheit Teil 2: Wenn Mama, Papa, Oma … krank sind – die Schuldgefühle der Kinder

 

Ein Beitrag von Dr. Udo Baer

 

Erkrankungen rufen nicht nur in Eltern und anderen Erziehenden Schuldgefühle hervor, sondern auch und vor allem bei den Kindern:

  • Stefans Schwester ist hat eine Lungenentzündung und Stefan macht sich Sorgen. Er wirft sich vor, dass er am Anfang die Krankheit der Schwester nicht ernst genommen habe, zu laut gewesen war und dadurch Schuld ist, dass aus der Erkältung eine Lungenentzündung geworden ist.
  • Alicas Mama hat Krebs. Alica versteht nicht. Sie ist sechs Jahre alt. Sie ist sich aber ganz sicher, dass die Mama nur krank ist, weil sie, Alica, nicht lieb genug zu ihr war. Vor drei Jahren hatte die Mama mal zu Alica gesagt: „Wenn du nicht aufhörst mich zu nerven, dann werde ich noch krank!“ Das blieb im Gedächtnis!
  • Feridun räumt jetzt immer sein Zimmer auf. Sein Papa hatte einen Herzinfarkt erlitten und überlebt. Er hatte oft geschimpft, dass Feridun sein Zimmer nicht aufgeräumt hat. Nun räumt Feridun auf, damit der Papa wieder gesund wird.

Solche Beispiele von Schuldgefühlen bei Kindern, wenn Eltern oder Großeltern krank werden, kennen wir zu Hauf. Sie beruhen teilweise darauf, dass sich viele Kinder Krankheiten nicht erklären können. Doch die Quelle der Schuldgefühle sitzt tiefer. Kinder fühlen sich, wie die meisten Erwachsenen, gegenüber schweren Erkrankungen ohnmächtig. Ohnmacht ist ein Gefühl, das kaum auszuhalten ist.  Die Kinder wollen etwas tun, etwas bewirken, damit die Eltern oder Großeltern, die sie lieben, wieder gesund sind. Doch sie können sich weder die Krankheit erklären, noch finden sie einen Weg, wirkmächtig zu werden. Wenn die Ohnmacht bleibt, dann übernehmen Kinder oft die Verantwortung für die Erkrankung und fühlen sich schuldig. Sie versuchen damit, sich einen Zusammenhang zwischen sich selbst und der Erkrankung herzustellen.

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