Gastbeitrag: Die Praxis der gleichen Würde, von Jesper Juul

Die Praxis der gleichen Würde
Von Jesper Juul

Egal, wie problematisch wir das Verhalten von Kindern empfinden,wir sollen nie aufhören, sie als Menschen gleicher Würde zu behandeln.

Wenn wir verhaltensauffälligen Kindern unsere Aufmerksamkeit zuwenden, dann konzentrieren wir uns in der Regel auf ihr unangepasstes Verhalten.
Wir nehmen diese Kinder nicht wahr als die, die sie sind, sondern versuchen zu erklären, warum sie so geworden sind, wie sie sind. Wir forschen nach Ursachen von Symptomen. Fast ein ganzes Jahrhundert lang haben Psychologie und Pädagogik versucht, Verhalten zu klassifizieren, nach Symptomen zu ordnen, Symptome und Störungen zu diagnostizieren. Dies alles in der Annahme, dass wir bei exakter Diagnose eine Methode zur Behandlung abweichenden Verhaltens entwickeln könnten. Auf diese Weise behandeln wir nicht Menschen, sondern Symptome.

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Gastbeitrag von Herbert Renz-Polster: Frühpädagogik – wer macht da eigentlich die Ansagen? *

Ein Beispiel aus dem Bayerischen Bildungsplan

*Aus „kinderleicht“, 3, 2016, mit freundlicher Genehmigung von Herbert Renz-Polster

Wie unser Menschenbild als ganzes, so ist auch unser Bild vom Kind eine beständige Baustelle. Ein Blick in die Geschichte verdeutlicht das:  Zu Zeiten unserer Groß- und Urgroßeltern sah man kleine Kinder in einem eher pessimistischen Licht. Babys seien als unberechenbare Triebnaturen geboren, die von den Eltern und der Gesellschaft zurechtgestutzt werden müssten.  Durch strenge Zucht müssten sie „zivilisiert“ und für das Erwachsenenleben gehärtet werden. Dieses düstere Bild vom einzuhegenden Triebkind kam, natürlich, nicht von ungefähr: für die meisten Erwachsenen verlief das Leben damals in mehr oder weniger fremdbestimmten Positionen. Entsprechend war die Erziehung auf die Vermittlung von Disziplin, Gehorsam, Manieren und Regelmäßigkeit gerichtet. Insbesondere der „Eigensinn“ des Kindes wurde hart angegangen – in einer auf Befehlsketten aufgebauten Gesellschaft war der gewiss nicht erwünscht. Kein Wunder, dass es in den Kinderstuben streng zur Sache ging: das Kind sollte in körperlicher Distanz und nach klaren Vorgaben behandelt werden, die nicht ohne Grund an den Alltag beim Militär und in der damaligen industriellen Fertigung erinnern: gestillt und gegessen wurde nach der Uhr, nachts galt eine unbedingt einzuhaltende 8-stündige Kontaktsperre, und die „frühe Sauberkeit“ galt als wichtigster Ausweis der gelungenen Zähmung des Babys.[1] (mehr …)

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Gastbeitrag von Jesper Juul: Gewalt und Radikalisierung vermeiden – eine Anleitung*

*Aus dem Schweizer Elternmagazin, mit freundlicher Genehmigung von Jesper Juul

Wie Aggression, Gewalt und potenzieller Radikalisierung in Kindergärten und Schulen vorgebeugt werden kann, erklärt der renommierte dänische Familientherapeut Jesper Juul in diesem Fachartikel für Experten. Ein exklusiver Beitrag, der auch Eltern wichtige Einblicke in eine hochaktuelle Thematik gibt.

Diese Anleitung beschreibt, wie und warum wir einen höheren Grad an Gewalt und Aggression in Kindergärten und Schulen erwarten können, die aus der ablehnenden europäischen Haltung gegenüber den Flüchtlingen resultiert, und wie wir mit dieser Situation  als Lehrer und Eltern umgehen können. Der Text illustriert die unterschiedlichen und doch  identischen Quellen von Aggression bei europäischen und geflüchteten Kindern und  Jugendlichen, und die Notwendigkeit neuer pädagogischer Ansätze. Mit dem Begriff  «Prävention», den ich hier benutze meine ich Primärprävention. Da es über den  Zusammenhang zwischen politischen und kulturellen Haltungen gegenüber Migranten und  Flüchtlingen und dem Auftreten von Aggression und Gewalt bei Kindern und Jugendlichen  keinerlei Forschungsergebnisse gibt, sind die in Folge beschriebenen Ansprüche und  Vorhersagen nicht evidenzbasiert, sondern erfahrungsbasiert. (mehr …)

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Warum Kunst für Geflüchtete?

„DIE KUNST IST DER ORT, AN DEM WIR DIE LEERE, DIE NICHTIGKEIT UND DEN SCHRECKEN DES TODES UND ZUGLEICH DIE GANZHEIT DES LEBENS DENKEN UND FÜHLEN KÖNNEN.“
David Grossmann

Um all das geht es in den künstlerischen Projekten von  ́aufrichten!` – die Leere, den Schrecken und die Ganzheit dessen, was erlebt wurde … Und das fühlend und denkend AUSZUDRÜCKEN. Die Künste dienen dem Ausdruck dessen, was sich ausdrücken will.
 Aus der therapeutischen Erfahrung wissen wir, dass Menschen leiden, wenn sie Schlimmes erlebt haben und keinen Ausdruck dafür finden. Umso mehr gilt das für traumatische Erfahrungen. 
Diese lassen sich aber nicht mal eben so `erzählen` oder besprechen, was nicht nur an sprachlichen Barrieren liegt, sondern vor allem daran, dass der Schrecken zu groß ist, daran, dass es um UNAUSSPRECHLICHES geht.
 Unaussprechliches lässt sich eher mit Farben, Klängen, oder in einer tänzerischen Bewegung ausdrücken…
 Oft ist das ein erster Schritt, der leichter fällt.
 In den schon begonnenen Stärkungsgruppen machen wir diese Erfahrung immer wieder. (mehr …)

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