Gender. Die Welt in rosa und blau.

Ein Beitrag von Dr. Claus Koch

Ein Kaufhaus in der Stadt: Zwei Schaufenster, eines ganz in Pink und Rosa, eines ganz in Blau. In dem rosa Schaufenster: Playmobil City Life. Auf der Verpackung ein Einkaufsladen in rosa Ausstattung – im Laden drei, natürlich, Frauen beim Shoppen. Über allem thront eine Eistüte, mit, natürlich, rosa Eis. Playmobil Dollhouse: Schriftzug rosa: Darunter ein Kinderzimmer: Blaues Bett für den kleinen Sohn, rosa Bett mit Schmuckleiste für die kleine Tochter. Playmobil  Fashion Girls: Eine ganze Boutique in Rosa und Pink. Zwei Mädels beim shoppen und anprobieren. Playmobil Princess: Pferd mit rosa Mähne vor weiß-lila Kutsche. Frau in einem rosa Schlafzimmer bei der Anprobe. Daneben das blaue Schaufester: Playmobil Top Agents.

Zwei echte Kerle mit maschinengewehr-ähnlichen Waffen in der Hand. Playmobil Action: Kerl in SUV mit gewehrähnlichem Aufsatz, aus dem gefeuert wird. Nice and smart. Dasselbe von Lego. Hier nur mehr pink und lila als rosa für die Mädchen und mehr schwarz als blau für die Jungen. In der Spielzeugabteilung zeigt sich dasselbe Bild: Um sich zwischen den Geschlechtern bloß nicht zu verirren führt ein langer Gang wie eine Grenze zwischen den Geschlechtern: auf der linken Seite ist alles in Pink und Rosa, rechts alles in Blau und Schwarz. Die Frau behütet das Haus in Pink, der Mann zieht in die Welt hinaus mit SUV und Knarre in der Hand. Wieder vor dem Kaufhaus begegne ich einem, na ja, es ist wohl ganz eindeutig ein Mädchen: Rosa Schuhe, rosa Söckchen, rosa Kleid, rosa Fahrrad, rosa Helm. Es strahlt.

Szenenwechsel. Eine beliebige Universität. Seminar in Gendertheorie: Das Geschlecht ist deckungsgleich mit seiner sozialen Konstruktion. In diesem Raum gibt es keine Mädchen und Jungen mehr. Ich bin irritiert, denke zurück an die Schaufenster und frage mich. „Was war wohl eher da – das Geschlecht oder die Farben Rosa und Blau? Mädchen und Jungen oder ihre sozialen Konstrukte durch die Gender-Theoretikerinnen und Spielzeugindustrie?“ Ich erinnere mich an die Zeit, als es noch geschlechtsneutrale Legoklötzchen gab und jede und jeder bauen konnte, wozu sie oder er gerade Lust hatte. Als Jungen und Mädchen, zum Verwechseln ähnlich, in ihren Latzhosen herumliefen, mit Stöcken und Käfern in der Hand. In der Zeit vor Gender und Pink.

Claus Koch

Dr. phil. (Psychologie), Diplompsychologe. Bis Juli 2015 Verlagsleiter für den Bereich Sachbuch und Elternratgeber beim Beltz Verlag in Weinheim. 2015 gründete er zusammen Udo Baer das „Pädagogische Institut Berlin“ (PIB). Jahrelange wissenschaftliche Tätigkeit mit dem Schwerpunkt Entwicklungspsychologie des Kindes und Jugendlichen unter psychoanalytischen und bindungstheoretischen Gesichtspunkten, u.a. mit einem Lehrauftrag an der Universität Bielefeld. Publizist und Autor. Zahlreiche Vorträge, Buchveröffentlichungen und Artikel in Fachzeitschriften. Vorstandsmitglied des „Archiv der Zukunft“ (AdZ).

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