Elternarbeit in Schule und Kindergarten, Teil 5: Wie geht Andocken?

 

 

 

Beitrag von Dr. Udo Baer

Bei Gesprächen mit Beziehungsstörungen oder -belastungen gibt es einen bewährten Grundsatz. Er heißt: Erst andocken, dann verändern. Wenn Sie die Beziehung mit einem Elternteil oder den Eltern verändern oder weiterentwickeln wollen, wenn Sie die Unterstützung der Eltern bei Ihren Bemühungen um das Kind anstreben, setzt das voraus, dass Sie zunächst einmal überhaupt eine gemeinsame Gesprächsebene finden. Also bedarf es eines Andockens an das, was der Gesprächspartner möchte, was ihn bewegt, was ihn umtreibt. Wenn Sie auf zwei verschiedenen Spuren fahren, werden Sie sich nie begegnen und weiter aneinander vorbeireden. Einige Hilfen, die dazu beitragen können, eine Begegnungsebene zu schaffen, sollen hier angeführt werden. Welche und wie Sie diese einsetzen und verwenden, hängt vom Gespräch ab, von Ihrer Persönlichkeit, vom Gegenüber usw. Nehmen Sie dies als Anregungen.

  • Konkretisieren

Wenn Sie mit Eltern sprechen, hören Sie sicherlich öfters Aussagen wie: „Meine Tochter ist oft sehr müde, wenn sie vom Kindergarten kommt.“ Oder: „Mein Sohn mag die Schule nicht mehr.“ Hier ist es sinnvoll, ja notwendig, konkretisierend nachzufragen, zum Beispiel: „Woran zeigt sich, dass Ihre Tochter müde ist?“ Oder: „Sagt Ihr Sohn, dass er die Schule nicht mag, oder woran merken Sie das konkret? Wie zeigt sich das?“ Wenn Sie konkretere Informationen bekommen, dann entsteht ein besseres Bild bei Ihnen und Sie können genauer auf das Thema eingehen. Außerdem bestätigen die Erfahrungen, dass sich Eltern ernst genommen fühlen, wenn Sie konkret nachfragen.

  • Validieren

Wenn Sie bei einem Gespräch mit einem Elternteil hören – offen oder zwischen den Zeilen – dass der Vater oder die Mutter ein bestimmtes Gefühl ausdrückt, dann ist es gut, dieses Gefühl zu benennen und nachzufragen, ob Sie es richtig verstanden haben. Zum Beispiel: „Verstehe ich es richtig, dass Sie sich Sorgen um Ihr Kind machen?“ Oder: „Kann es sein, dass Sie sich darüber ärgern, dass Ihr Kind Ihnen nichts mehr von der Schule oder vom Kindergarten erzählt?“ Dieses Validieren bewirkt zwei Vorteile: Zum einen können Sie Ihre Eindrücke überprüfen und zum anderen fühlen sich dadurch die Gesprächspartner auch in ihren Gefühlen ernst genommen.

  • Subtexte ernst nehmen

Mit Subtexten wird das bezeichnet, was in einem Gespräch unterschwellig vorhanden ist, also das, was nicht in Worten ausgedrückt wird, aber in der Atmosphäre und im sonstigen Beziehungsgeschehen spürbar ist. Nicht jeder Subtext muss angesprochen werden, aber wenn der Subtext das Gespräch belastet und die Beteiligten daran hindert, auf die Suche nach Lösungen im Interesse des Kindes zu gehen, dann ist es sinnvoll, den Subtext zu thematisieren. Zum Beispiel: „Kann es sein, dass Sie sich unter Druck fühlen?“ Oder: „Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich Ihnen Vorwürfe mache. Mir geht es nur darum, gemeinsam nach Wegen zu suchen, die Ihrem Kind guttun.“ …

 

Manchmal entstehen Situationen, in denen Sie als Fachkraft den Eltern etwas vorschlagen wollen, ja sogar von den Eltern etwas fordern, wie sie sich anders gegenüber ihrem Kind verhalten. Dies als Forderung zu formulieren, bewirkt oft Widerstand und Abwehr. Viele Eltern denken in solchen Situationen sofort, dass sie etwas falsch gemacht haben und wehren sich dagegen. Unser Vorschlag ist, andere Formulierungen zu benutzen, die die Eltern mehr einbeziehen und ihnen mehr offene Möglichkeiten lassen. Zum Beispiel: „Was meinen Sie? Könnte eine Möglichkeit darin bestehen, dass Sie versuchen, Ihr Kind früher zu Bett zu bringen, damit es morgens nicht so müde ist? Oder haben Sie eine andere Idee?“ Hier kommt es nicht auf die genaue Formulierung an, sondern dass die Formulierung Ihrer Haltung entspricht, den Eltern Wahlmöglichkeiten und Verantwortung zu geben, ihren Teil an der Lösung des Problems beizutragen.

Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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