Wir lange sehen Ärzt/innen in Kinderkliniken täglich die Kinder? 14 MINUTEN!

Beitrag von Dr. Udo Baer

Die Süddeutsche Zeitung berichtete über mehrere Studien, in denen untersucht wurde, wieviel ihrer Arbeitszeit sie mit den Patient/innen verbringen.[1] Die Ergebnisse sind erschreckend: nur 9 bis 13 Prozent. Die andere Zeit geht mit Besprechungen, Dokumentation, Verwaltungsarbeit und anderem drauf. In manchen Kinderkliniken verbringen Ärzt/innen nur 14 Minuten täglich mit ihren kleinen Patient/innen. Nicht mit jedem Kind, sondern die Kontakte mit allen Kindern, für die sie zuständig sind, zusammengerechnet. Das sind selbst bei nur 20 Kindern einer Station weniger als eine Minute je Kind.

Sicher wird es Ausnahmen geben, doch die Tendenz ist erschreckend. Gegenüber den 90er Jahren hat sich der Anteil der mit Patient/innen verbrachten Zeit halbiert.

Und wir wissen alle, dass bei Visiten nicht nur den Kontakt mit den kranken Menschen gepflegt wird, sondern dass den Pflegenden Anweisungen gegeben werden, Telefonate geführt und andere Aktivitäten die unmittelbare Beschäftigung mit den Patient/innen einschränken.

Es wird manchmal über eine „Apparate-Medizin“ geklagt. Das ist zum Teil richtig, weil der Ultraschall oft das Abtasten des Körpers und das Gespräch ersetzt. Zu klagen ist vor allem über die „Bürokratie-Medizin“. Es wird überall dokumentiert – und keiner liest es. Als Patient muss man mindestens fünfmal die gleichen Angaben machen und Formulare ausfüllen, immer wieder neu – anscheinend verschwinden sie im Bauch der Bürokratie.

Wir wissen alle, dass Heilung Beziehung braucht, Vertrauen, Verständnis, Gesehen-Werden … Das gilt insbesondere für kranke Kinder in der fremden und angstmachenden Klinik-Umgebung. Wir brauchen weniger Bürokratie, weniger Dokumentation und mehr Beziehung. Auch in der Medizin.

[1] Bartens, W.: Was vom Arzte übrig bleibt. In: Süddeutsche Zeitung 23.4.2019

Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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