2. Die geheimen Liebesgefühle

Serie: Wie Kinder lieben

Kinder und auch Jugendliche wissen oft nicht in Worten ihre Liebe auszudrücken. Wenn sie sehr klein sind, zeigen sie das in den Blicken ihrer Augen, in den Berührungen und Gesten und erst später in Worten. Doch je älter sie werden, desto unsicherer werden sie in solchen direkten Äußerungen. Das gilt nicht für alle Kinder, aber für viele.

Kinder bemühen sich dann, ihre Liebe zu Erwachsenen auf andere Weise zu zeigen. Da sind zwei Brüder, elf und dreizehn, die ein Jahr lang Geld sparen, um der Mutter ein Küchengerät zu kaufen. Sie schenken es ihr zum Geburtstag. Ein anderer Junge geht häufig auf die Wiese vor der Kita, wenn ein Elternteil ihn zur Kita bringt, und pflückt dort Blumen, meistens Gänseblümchen. Er überreicht diese Gänseblümchen strahlend der Erzieherin.

Beides sind Ausdrucksformen der Liebe.

Oft werden diese Liebesgesten nicht verstanden. Die Mutter, der das Küchengerät geschenkt wurde, findet das „nett“, wie sie sagte. Aber die tiefere Bedeutung als Liebesausdruck und die ganze Vorgeschichte des Sparens, um der Mutter zu helfen und ihr liebevoller Dankbarkeit etwas Gutes zu tun in, all das hat sie nicht verstanden und ignoriert. Dann bleiben die Liebesgefühle geheim, gehen manchmal sogar ins Leere.

Besonders geheim werden Liebesgefühle der Kinder zu den Eltern oder zu anderen Erwachsenen, wenn die Kinder in die Pubertät kommen und Jugendliche werden. Mit vierzehn oder fünfzehn Jahren ist es „peinlich“ zu zeigen, dass man den Vater oder die Mutter liebt. Das geht gar nicht, erst recht nicht vor Gleichaltrigen. Dass man einen Lehrer oder eine Lehrerin gut findet, ja sogar als Vorbild verehrt, klingt vielleicht mal in einem Nebensatz leise an. Es deutlich auszusprechen, wäre „uncool“. In diesem Alter sind die Gefühlswelten der Kinder bzw. Jugendlichen so überfüllt, so durcheinander und so widersprüchlich, dass sie oft überfordert sind, ihre Gefühle zu sortieren. Sie bleiben in der emotionalen Verwirrung gefangen, sodass für Äußerungen liebevoller Gefühle kaum Platz bleibt. Sie wollen keine Kinder mehr sein, sondern Erwachsene. Aber sie sind es noch nicht. Körperlich und seelisch verändert sich vieles und das fordert und überfordert. Liebesgefühle gehen vielleicht in die Richtung Gleichaltriger. Aber auch da ist alles neu, fremd und unsicher. Also versuchen sie, „cool“ zu bleiben …

Wenn dann aber andere Menschen die eigenen Eltern angreifen, dann werden diese von den Jugendlichen verteidigt. Sie sind parteilich, zumindest häufig, und das zeigt dann die liebevolle Verbindung, die ansonsten nicht geäußert werden kann, sondern geheim bleiben muss. Auch das ist wichtig, zu wissen und zu verstehen.

Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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