Elternarbeit in Schule und Kindergarten, Teil 1 und 2

Beitrag von Dr. Udo Baer

 

In der Elternarbeit treten in Schule und Kindergarten öfters Probleme auf und es entstehen Fragen. Wir werden in den folgenden Beiträgen versuchen, einige dieser Fragen zu beantworten und praktische Hinweise zu geben. Die Beiträge erscheinen in unregelmäßiger Reihenfolge in diesem Blog.

 

  1. Das Dreieck: Kind-Eltern-Lehrer/innen/Erzieher/innen

Elternarbeit geht in ihrer Bedeutung weit darüber hinaus, die Eltern nur über die Leistungen in Schule und Kindergarten zu informieren. Kindergärten und Schulen sind Stätten, in denen Kinder in ihrer Sozialisation und Identitätsentwicklung wesentliche Erfahrungen machen. Nur wenn Eltern und Lehrer/innen/Erzieher/innen ein Arbeitsbündnis herstellen können, kann das Kind davon optimal profitieren. Die Entwicklung eines solchen Bündnisses ist deshalb zentrales Anliegen und Ziel der Elternarbeit.

Die Elternarbeit befindet sich in einem Dreieck Kind-Eltern-Lehrer/innen/Erzieher/innen. Jeder dieser Partner in dem Dreieck hat eine besondere Funktion und Geschichte.

Das Kind: Um das Kindeswohl geht die Zusammenarbeit in erster Linie. Das Ziel der Elternarbeit besteht nicht darin, dass Lehrer/innen oder Erzieher/innen versuchen sollten, die Eltern zu ändern oder umgekehrt. Die Hauptabsicht ist oder sollte sein, dass zum Wohle des Kindes zusammengearbeitet wird. Das ist das Wichtigste und das muss im Mittelpunkt der gemeinsamen Bemühungen stehen.

Eltern: Die Eltern bringen Erfahrungen vor allem aus ihrer eigenen Schulzeit mit. Das sind nicht immer positive Erfahrungen. Eigene negative Schulerfahrungen können dazu führen, dass es Vorurteile und Vorbehalte gerade insbesondere gegenüber Lehrerinnen und Lehrern gibt oder dass ein Kontakt mit Lehrkräften von Ängsten behaftet ist. Wenn jemand in seiner eigenen Schulzeit zum Beispiel beschämt wurde, erwartet er vielleicht dies auch im Elterngespräch oder befürchtet dies für seine Kinder. Zumindest unbewusst. Dies ist wichtig zu wissen und zu berücksichtigen. Es bedarf immer einer besonderen Mühe, eine Vertrauensbasis aufzubauen.

Lehrer/innen/Erzieher/innen: Auch hier gibt es Vorerfahrungen mit anderen Eltern, positive wie negative. Auch hier sind Befürchtungen und Wünsche vorhanden. Sich dieser bewusst zu werden, ist hilfreich und notwendig.

Dreiecksbeziehungen können kompliziert und schwierig sein. Noch einmal ist besonders hervorzuheben:

  • Es geht vor allen Dingen um das Kind.
  • Es gilt, ein Arbeitsbündnis zwischen Eltern auf der einen Seite, Lehrer/innen oder Erzieher/innen auf der anderen Seite zu schaffen.

 

  1. Zwei Mythen

In zahlreichen Ratgebern wird die Forderung erhoben, bei Schwierigkeiten in Elterngesprächen darauf hinzuarbeiten, dass man sich sachlich unterhält. Es wird empfohlen, Sätze wie: „Lassen Sie uns auf der Sachebene bleiben!“ als Gegenmittel gegen emotionale Äußerungen zu sagen.

Dieses Bemühen ist ein Mythos. Es gibt keine „Sachebene“ ohne Beziehungsebene. Gespräche zwischen Eltern und Erziehenden in Schule und Kindergarten bewegen sich immer auch auf der Beziehungsebene. Wenn diese zu Konflikten führt oder eine Verständigung unmöglich macht, ist der Versuch, auf eine Sachebene zu gelangen, nur das in der Regel vergebliche Bemühen, diese Beziehungsfragen und Konflikte zu umgehen.

Wir empfehlen viel eher, die Beziehungsebene ernst zu nehmen und atmosphärische Spannungen anzusprechen. Manche Eltern erwarten, dass ihnen in einem Elterngespräch Vorwürfe gemacht werden, dass sie als Eltern nicht „gut genug“ sind, dass sie etwas falsch gemacht haben. Das kann zum Beispiel zu einer gereizten Atmosphäre oder zu einer Anspannung im Kontakt führen. Durch einen Verweis auf die Sachebene wird dies nicht aus der Welt geschaffen. Besser ist es, die Anzeichen einer Beziehungsstörung anzusprechen, zum Beispiel: „Ich spüre hier eine Spannung in der Luft. Wenn Sie meinen, dass ich Ihnen Vorwürfe machen könnte, dann kann ich nur sagen, nein, das mache ich nicht. Ich möchte gemeinsam mit Ihnen danach suchen, was wir im Umgang mit Ihrem Kind verbessern können …“ Oder ganz einfach: „Ich will Ihnen nichts!“ Oder auch: „Wenn ich hier etwas gereizt bin, dann entschuldigen Sie das bitte. Ich bin auch ein wenig hilflos, wie ich Ihr Kind weiter unterstützen kann. Lassen Sie uns gemeinsam danach suchen.“

Wie auch immer, Beziehungsfragen sollten angesprochen und nicht umgangen werden.

Der zweite Mythos besteht darin, dass man ein Elterngespräch genau vorbereiten sollte. Wir meinen durchaus, dass bestimmte Vorbereitungen zu treffen sind, dazu später, aber Sie müssen davon ausgehen, dass jedes Elterngespräch eine eigene Dynamik entwickelt. Jeder Beteiligte bringt eigene Erfahrungen, Befürchtungen, Wünsche und Sehnsüchte mit und diese können sich nur in der konkreten Situation entwickeln und nicht geplant werden. Darauf gilt es, sich einzustellen.

Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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