Damit sind wir bei dem großen UND, was von zentraler Bedeutung für den Umgang mit schweren Erkrankungen innerhalb einer Familie ist. Wir Menschen denken oft in Kategorien des Entweder/Oder. Wir lieben jemanden oder wir lieben ihn nicht. Wir sind müde und erholungsbedürftig oder tatkräftig und aktiv. Dieses Entweder/Oder hat in vielen Situationen eine Bedeutung gegenüber der Gewalt, gegenüber Beschämungen oder anderen Verletzungen. Gegenüber allen Erniedrigungen und Entwürdigungen braucht es eine klare Kante, da gibt es entweder Würde oder Entwürdigung, nicht beides. Auch bei vielen anderen Gelegenheiten und in Situationen des Alltagslebens hilft das große UND. Wir können die Not der erkrankten Person ernst nehmen UND auch schöne Sachen unternehmen und lachen und gut leben. Wir können jemanden, der erkrankt ist, unterstützen und pflegen UND wir können uns auch um unser eigenes Leben kümmern. Dieses große UND den Kindern mitzuteilen, entlastet sie ungemein. Es entlastet auch die Erwachsenen. Sie können dieses UND den Kindern dann auch vorleben. Das gilt auch für die erkrankten Menschen. Wenn ich selbst krank bin, freue ich mich darüber, wenn ich unterstützt werde und sich andere um mich kümmern, UND ich möchte, dass die anderen sich auch um sich kümmern und das machen, was ihnen im Moment guttut. Diese Widersprüchlichkeit des Lebens und Erlebens oder fachlicher ausgedrückt vielleicht Ambiguität, Ambivalenz oder Dialektik gehört zum Leben und zum Erleben. Wir sollten sie akzeptieren und diesen Widersprüchlichkeiten Raum geben. Das geht nicht auf Kosten der Liebe oder des Kümmerns um die erkrankten Menschen, sondern das fördert die Kraft und die Lebendigkeit aller Familienmitglieder.
Das gilt auch für Menschen, die Kinder professionell begleiten. Auch hier ist es notwendig, wenn man erfährt, dass ein Familienmitglied schwer erkrankt ist, sich zu erkundigen und auch das Kind zu unterstützen und zu loben, wenn es sich um die Familie und vor allem um die erkrankte Person kümmert. UND es ist sinnvoll, dass wir in solchen Rollen auch den Kindern das große UND nahelegen und sie ermutigen, nicht in der Krankheitsatmosphäre zu versinken, sondern auch andere buchstäbliche Spielräume zu nutzen und zu suchen.