Elternarbeit in Schule und Kindergarten: 2. Zwei Mythen

In zahlreichen Ratgebern wird die Forderung erhoben, bei Schwierigkeiten in Elterngesprächen darauf hinzuarbeiten, dass man sich sachlich unterhält. Es wird empfohlen, Sätze wie: „Lassen Sie uns auf der Sachebene bleiben!“, als Gegenmittel gegen emotionale Äußerungen zu sagen.

Dieses Bemühen ist ein Mythos. Es gibt keine „Sachebene“ ohne Beziehungsebene. Gespräche zwischen Eltern und Erziehenden in Schule und Kindergarten bewegen sich immer auch auf der Beziehungsebene. Wenn diese zu Konflikten führt oder eine Verständigung unmöglich macht, ist der Versuch, auf eine Sachebene zu gelangen, nur das in der Regel vergebliche Bemühen, diese Beziehungsfragen und Konflikte zu umgehen.

Wir empfehlen viel eher, die Beziehungsebene ernst zu nehmen und atmosphärische Spannungen anzusprechen. Manche Eltern erwarten, dass ihnen in einem Elterngespräch Vorwürfe gemacht werden, dass sie als Eltern nicht „gut genug“ sind, dass sie etwas falsch gemacht haben. Das kann zum Beispiel zu einer gereizten Atmosphäre oder zu einer Anspannung im Kontakt führen. Durch einen Verweis auf die Sachebene wird dies nicht aus der Welt geschaffen. Besser ist es, die Anzeichen einer Beziehungsstörung anzusprechen, zum Beispiel: „Ich spüre hier eine Spannung in der Luft. Wenn Sie meinen, dass ich Ihnen Vorwürfe machen könnte, dann kann ich nur sagen, nein, das mache ich nicht. Ich möchte gemeinsam mit Ihnen danach suchen, was wir im Umgang mit Ihrem Kind verbessern können …“ Oder ganz einfach: „Ich will Ihnen nichts!“ Oder auch: „Wenn ich hier etwas gereizt bin, dann entschuldigen Sie das bitte. Ich bin auch ein wenig hilflos, wie ich Ihr Kind weiter unterstützen kann. Lassen Sie uns gemeinsam danach suchen.“

Wie auch immer, Beziehungsfragen sollten angesprochen und nicht umgangen werden.

Der zweite Mythos besteht darin, dass man ein Elterngespräch genau vorbereiten sollte. Wir meinen durchaus, dass bestimmte Vorbereitungen zu treffen sind, dazu später, aber Sie müssen davon ausgehen, dass jedes Elterngespräch eine eigene Dynamik entwickelt. Jeder Beteiligte bringt eigene Erfahrungen, Befürchtungen, Wünsche und Sehnsüchte mit und diese können sich nur in der konkreten Situation entwickeln und nicht geplant werden. Darauf gilt es, sich einzustellen. Elterngespräche sind nicht planbar.

Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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