Traumatisierte Kinder sensibel begleiten, Teil 3: Keine Angst vor Gefühlen

 

 

 

Beitrag von Dr. Udo Baer

(aus dem Buch „Traumatisierte Kinder sensibel begleiten. Basiswissen & Praxisideen“ von Udo Baer. Beltz Nikolo 2018)

Wenn ein Kind, das traumatische Erfahrungen erleben musste, mit Interesse und Zuneigung begleitet wird, kann es dazu führen, dass in dem Kind Gefühle lebendig werden. Ein Kind malt zum Beispiel ein traumatisches Ereignis. Die Fachkraft interessiert sich dafür. Das Kind spürt das, wird aufgeregt und zeigt Ängste. Manche Menschen denken, dass wäre eine erneute Traumatisierung des Kindes. Dem ist nicht so. Wenn das Kind sich öffnet und eine Beziehung mit einer vertrauten Person aufbaut, dann können und werden häufig Gefühle sichtbar und lebbar, die das Kind beschäftigen. Es ist für das Kind gut, dass es diese Gefühle teilt. Es hilft, dass die Kinder nicht alleine sind, sondern dass andere da sind, die zuhören, sich interessieren, trösten und begleiten.

Es gibt keine eindeutige Abgrenzung zwischen einer »Normalität« und dem »Traumaerleben«, das als »Retraumatisierung« wieder aufleben kann. Es gibt ein massives Traumaerleben und es gibt viele kleine und größere Aspekte des Erlebens, die infolge eines Traumas lebendig sind und immer wieder in den Vordergrund treten können. Dazu gehören Ängste, Tränen, Zittern, Stockungen und andere weitere Ausdrucksformen. Wenn ein Kind oder eine Erwachsene/Erwachsener von der Flucht erzählt und dabei Tränen fließen oder die Aufregung steigt, dann ist das noch lange keine »Retraumatisierung«, sondern lebendiger Ausdruck der schmerzhaften Erfahrungen, die sich lösen.

Selbstverständlich werden Sie kein Kind auffordern, traumatische Erlebnisse zu schildern. Dies kann Bestandteil einer Therapie werden, muss aber auch dabei gar nicht notwendig sein. Für eine therapeutische Behandlung, in der man sich tiefer mit dem Trauma auseinandersetzt, braucht es Fachleute, die damit umgehen können und das Kind professionell unterstützen.

Entscheidend ist, dass Sie das Kind nicht alleine lassen, wenn es starke Gefühle zeigt, dass Sie es unterstützen, halten und begleiten. Interessieren Sie sich für das Kind und seien Sie da ohne besonderen Aktionismus, sondern mit helfender Hand und Fürsorge. Das unterstützt, das hilft, das stärkt.

 

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Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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