Traumatisierte Kinder sensibel begleiten, Teil 8: Was tun bei »seltsamen« Gefühlen traumatisierter Kinder? – Schuldgefühle

 

 

von Dr. Udo Baer

Traumatische Erfahrungen bewirken in den Kindern, dass sie in all ihrem Erleben erschüttert sind. Dazu gehört auch ihr Gefühlsleben. Manche Gefühle verschwinden scheinbar, andere werden stärker, wieder andere verändern sich in ihren Inhalten und ihrem Ausdruck. Deswegen werde ich in den folgenden Abschnitten auf einige dieser Gefühle eingehen, die Veränderungen durch traumatische Erfahrungen beschreiben und Ihnen Hinweise geben, wie Sie damit umgehen können

Um die trauerbedingten Schuldgefühle zu verstehen, ist es wichtig, dass Sie zwischen Schuld und Schuldgefühlen unterscheiden können. Es gibt viele Menschen, die Schuld auf sich geladen haben, aber keine Schuldgefühle spüren, darunter nach meinen Erfahrungen die meisten Täter und Täterinnen. Und es gibt Opfer, die Schuldgefühle haben, aber keine Schuld.

Wir haben bei größeren Kindern, bei Jugendlichen und Erwachsenen fast immer beobachtet, dass sich die Opfer von sexueller Gewalt oder anderer Gewalt schuldig fühlen. Vernünftig ist dies nicht zu erklären, denn sie waren Opfer und ausgeliefert. Wie kann man sich da schuldig fühlen? Doch es gibt die »Schuldgefühle der Opfer«. Gerade bei Kindern, denen etwas so Schlimmes widerfährt, entsteht eine Fassungslosigkeit. Die Gewalt-Erfahrung übersteigt den Rahmen dessen, wie die Kinder die Welt verstehen und sich in der Welt einordnen können. Also versuchen sie offenbar unbewusst ein Stück Mitverantwortung zu übernehmen, um das ganze Geschehen wenigstens erklärbar zu machen. Und schon spüren die Kinder, dass sie selbst schuldig sind. Dazu kommt, dass viele Täter den Kindern Schuldgefühle zu machen versuchen: »Du willst das doch…«, »Wehe, du erzählst was, sonst …!« All dies wirkt nach. Sie müssen davon ausgehen, dass Kinder mit traumatisierenden Erfahrungen unter Schuldgefühlen leiden.

Kinder im Vorschulalter können ihre Schuldgefühle nur selten deutlich artikulieren. Doch Sie können sicher sein, dass traumatisierte Kinder spätestens ab vier Jahren über Schuldgefühle verfügen. Diese Kinder brauchen neben der Ich-Stärkung immer wieder den Satz: »Du bist nicht schuld!« Die Kinder brauchen Parteilichkeit, sie brauchen Worte und Handlungen, die ihnen zeigen, dass sie zu den Guten gehören und andere zu den Bösen. Das mag sich banal anhören, ist aber für die Kinder existenziell wichtig, um das Geschehen in ihr Weltbild einfügen zu können.

Zeigen Sie den Kindern: »Du bist nicht schuld!«

Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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