Gastbeitrag von Herbert Renz-Polster: Frühpädagogik – wer macht da eigentlich die Ansagen? *
Ein Beispiel aus dem Bayerischen Bildungsplan
*Aus „kinderleicht“, 3, 2016, mit freundlicher Genehmigung von Herbert Renz-Polster
Wie unser Menschenbild als ganzes, so ist auch unser Bild vom Kind eine beständige Baustelle. Ein Blick in die Geschichte verdeutlicht das: Zu Zeiten unserer Groß- und Urgroßeltern sah man kleine Kinder in einem eher pessimistischen Licht. Babys seien als unberechenbare Triebnaturen geboren, die von den Eltern und der Gesellschaft zurechtgestutzt werden müssten. Durch strenge Zucht müssten sie „zivilisiert“ und für das Erwachsenenleben gehärtet werden. Dieses düstere Bild vom einzuhegenden Triebkind kam, natürlich, nicht von ungefähr: für die meisten Erwachsenen verlief das Leben damals in mehr oder weniger fremdbestimmten Positionen. Entsprechend war die Erziehung auf die Vermittlung von Disziplin, Gehorsam, Manieren und Regelmäßigkeit gerichtet. Insbesondere der „Eigensinn“ des Kindes wurde hart angegangen – in einer auf Befehlsketten aufgebauten Gesellschaft war der gewiss nicht erwünscht. Kein Wunder, dass es in den Kinderstuben streng zur Sache ging: das Kind sollte in körperlicher Distanz und nach klaren Vorgaben behandelt werden, die nicht ohne Grund an den Alltag beim Militär und in der damaligen industriellen Fertigung erinnern: gestillt und gegessen wurde nach der Uhr, nachts galt eine unbedingt einzuhaltende 8-stündige Kontaktsperre, und die „frühe Sauberkeit“ galt als wichtigster Ausweis der gelungenen Zähmung des Babys.[1] (mehr …)
