„Werden, wie man sich selbst empfindet“ – ein Beitrag zur Abgrenzung von Selbstwert- und Selbstgefühl

Ein Beitrag von Claus Koch

In meinem letzten Beitrag „Selbstwert, Selbstwirksamkeit und soziales Dominanzstreben“ habe ich die Frage aufgeworfen, was geschieht, wenn sich Selbstwert und das Gefühl für Selbstwirksamkeit, zwei aus der Bindungstheorie abgeleitete wesentliche Dimensionen der Persönlichkeit, ablösen von einem kommunikativen und emphatischen Miteinander und sich stattdessen auf das Ziel sozialer Dominanz hin orientieren. In diesem Beitrag geht es erneut um eine kritische Diskussion dieser beiden aus guter Bindung resultierenden Persönlichkeitseigenschaften, dieses Mal jedoch unter dem Gesichtspunkt, warum die Unterscheidung von Selbstwert/Selbstwirksamkeit und Selbstgefühl im beratenden und therapeutischen Prozess eine so bedeutende Rolle spielen kann.

Sein Selbstwertgefühl entwickelt das Neugeborene und kleine Kind zunächst darüber, dass es sich in der täglichen Kommunikation mit seinen primären Bezugspersonen als „wertvoll“ empfindet. „Ich bin es wert, dass man mir auf meine Blicke, meine Gesten und Laute und späteren Worte antwortet“, empfindet das Kind, wenn Mutter und Vater oder andere ihm nahe Bezugspersonen auf die auf sein soziales Überleben gerichteten Kooperationsangebote feinfühlig eingehen. Wenn sich auf diese Weise nach und nach sein Selbstwertgefühl aufbaut, handelt es sich um eine Persönlichkeitseigenschaft, die bis ins Jugend- und Erwachsenenalter Schutz vor Mobbing und Feindseligkeiten bietet und gleichzeitig Selbstwirksamkeit verspricht: „Ich traue mir zu, das, was ich mir vornehme, auch bewerkstelligen zu können.“ Damit eng verbunden ist also auch das Vertrauen in sich selbst, das nur zustande kommen kann, wenn dieses Selbst für so wertvoll gehalten wird, dass es dieses Vertrauen auch zu verdient. Mit diesen, hier nur kurz zusammengefassten Wirkungen sind Selbstwert, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit in jedem Fall eine gute Basis für ein als sinnvoll und gelingend empfundenes Leben.

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Selbstwert, Selbstwirksamkeit und soziales Dominanzstreben – Kritische Anmerkungen zu wichtigen Kategorien gelungener Bindung

Ein Beitrag von Claus Koch

Vorbemerkung

Zwei Anlässe boten sich mir, noch einmal über wesentliche, u.a. auch von der Bindungstheorie abgeleitete Kategorien wie „Selbstwert“, „Selbstvertrauen“ und „Selbstwirksamkeit“ nachzudenken, die auch in meinem letzten veröffentlichten Buch über das Erwachsenwerden eine zugegeben bedeutende Rolle spielen.

Da ist zum einen die Beobachtung, dass sich ein hohes Selbstwertgefühl unter bestimmten Voraussetzungen nicht immer um emphatische Anteilnahme am Schicksal des Anderen ergänzt, sondern, im Gegenteil, anschlussfähig werden kann an die neoliberale Ideologie, dass nur der Einzelne und sein Erfolg zählen und der Schwächere selbst schuld daran sei, nicht zu den „Gewinnern“ zu gehören. Schon in der Kita trifft man auf von Eltern instruierte „Alphakinder“, in der Schule auf Jugendliche und später auf Erwachsene, die mit durchaus guten Bindungserfahrungen und gesundem Selbstvertrauen nur sich selbst und ihr Durchsetzungsvermögen gegenüber anderen im Kopf haben und dabei wenig übrig für die, die sie gerne als „sozial abgehängt“ bezeichnen.

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Und am Ende zählt nur der „Schnitt“ – ein kritischer Beitrag zum Tag der Einschulung von Claus Koch

Beitrag von Claus Koch

Jetzt ist es wieder soweit: Landauf, landab verlassen die Kinder ihre Kitas und mit ihrer Einschulung beginnt für sie ein neuer Lebensabschnitt. Neugierig sind sie und aufgeregt. Das Abenteuer Schule kann anfangen! Stolz stellen sie fest, bald nicht mehr zu den „Babys“ zu gehören, die noch nicht einmal schreiben, lesen und zählen können. Fast alle freuen sich, endlich in die Schule zu kommen. Dahinter verbirgt sich ihre unausgesprochene Erwartung, immer selbstständiger zu werden, die Welt auf eigene Faust zu entdecken, sie erklären zu können und immer mehr verstehen zu lernen, was um sie herum geschieht. Um es so zu verändern, wie sie es sich vorstellen.

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Trennung und Scheidung (Teil 4) Residenzmodell, Wechselmodell oder Nestmodell? Zur aktuellen Diskussion.

Beitrag von Claus Koch

siehe auch das Buch zum Thema:

CK

In letzter Zeit ist unter Experten und ebenso unter Eltern eine heftige Diskussion über das „richtige“ Betreuungsmodell für die Kinder nach der Trennung und Scheidung entstanden. Im juristischen Jargon geht es dabei um das „Aufenthaltsbestimmungsrecht“, mit anderen Worte darum, wo, wie lange und wann sich das Kind beim getrennten Partner aufhält. Zusätzlichen Zündstoff erhielt die Diskussion dadurch, dass sich der Bundesgerichtshof im Februar 2017 dafür aussprach, unter bestimmten Umständen dem „Wechselmodell“ gegenüber dem „Residenzmodell“ den Vorzug zu geben, mit anderen Worten, dass es unter bestimmten Bedingungen auch gegen den Willen des Expartners juristisch durchgesetzt werden kann. Insbesondere wurde dieses Urteil von den bislang beim Residenzmodell zu kurz gekommenen Vätern dankbar aufgegriffen.

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Trennung und Scheidung (Teil 3). Gibt es langfristige Folgen für Kinder und Jugendliche von Eltern, die sich getrennt haben?

Beitrag von Claus Koch

Betrachtet man die Häufigkeit von Trennungen und Scheidungen und wie viele Kinder davon betroffen sind, dann ist erstaunlich, wie wenige wissenschaftliche Studien sich mit den für sie langfristigen Folgen beschäftigen. Eigentlich gibt es nur zwei us-amerikanische Langzeitstudien, die, obwohl sie beide schon länger zurückliegen, immer wieder zitiert werden. Auf sie werde ich im Folgenden näher eingehen sowie auf eine dritte Studie, die jüngeren Datums ist, und die seit einigen Jahren am Deutschen Jugendinstitut in München erhoben wird.

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Trennung und Scheidung aus bindungstheoretischer Sicht (Teil 2) Was geht in den Eltern vor?

Für Eltern bedeutet die Trennung keine einfach Situation, auch wenn manche von ihnen zu dem Mittel greifen, sie zu bagatellisieren oder sie sich schönzureden. In den meisten Fällen aber beherrschen Wut und Aggression, Schuldgefühle, Ohnmacht und depressive Verstimmungen das Gefühlsleben, die oft auch mit vorübergehenden Rückzug einhergehen können. Auch Flucht in Arbeit, aber ebenso Arbeitsstörungen können die Folge sein. Darüber hinaus können sich alle diese Gefühle auch mit vielfältigen psychosomatischen Symptomen Ausdruck verschaffen. Wie bei den Kindern spielt auch ihre Bindungsgeschichte eine bedeutende Rolle, wie sie mit der Situation umgehen und sich ihre erworbenen Bindungsmuster auf die nachstehend näher beschriebenen Gefühle positiv oder negativ auswirken. Darüber, wie sich unterschiedliche Bindungsmuster aus der frühen Kindheit, ob zum Beispiel sicher oder unsicher gebunden, auf ihre Bewältigungsstrategien auswirken, liegen allerdings bislang kaum wissenschaftliche Untersuchungen vor.

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Trennung und Scheidung aus bindungstheoretischer Sicht (Teil1) “ Was geht in Kindern und Eltern vor“

Vorbemerkung zur vierteiligen Serie zum Thema „Trennung und Scheidung“

Jedes Jahr lassen sich in Deutschland etwa 160.000 verheiratete Paare scheiden, womit laut Mikrozensus jährlich etwa 130.000 bis 140.000 minderjährige Scheidungskinder neu dazukommen. Und da Trennungskinder von Eltern ohne Trauschein in den amtlichen Statistiken nicht auftauchen, dürfte die Anzahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen noch wesentlich höher liegen. Das wären dann jährlich in etwa so viele Scheidungskinder wie eine mittlere Großstadt in Deutschland Einwohner hat. Obwohl mit dieser hohen Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die mit der Trennung ihrer Eltern oftmals eine traumatische Erfahrung verbinden, immer auch eine besondere erzieherische Herausforderung mit ungewissem Ausgang für ihre Eltern verbunden ist, liegen erstaunlich wenige wissenschaftliche Studien vor, wie sich die Trennung der Eltern auf ihre Kinder auswirkt und mit welchen, auch langfristigen Folgen zu rechnen ist. Hinzukommen Erzieherinnen und Lehrer, die nur über wenige Kenntnisse darüber verfügen, wie sie in Kita und Schule Kindern, deren Eltern sich gerade getrennt haben, professionell zu Hilfe kommen können. Auch beschäftigen sich die bestehenden Untersuchungen und Veröffentlichungen häufig nur mit der Sicht der Eltern, zum Beispiel, wenn es um geeignete Betreuungsmodelle geht, und die Erlebniswelt der Kinder, die doch das schwächste Glied in diesem Geschehen darstellen, gerät oft in den Hintergrund.

In vier Teilen will ich mich deshalb aus bindungstheoretischer Sicht etwas ausführlicher mit dieser Thematik befassen. In den ersten beiden Teilen wird es darum gehen, die Kenntnisse darüber zu vertiefen, was in den Kindern und ihren Eltern bei Trennung und Scheidung vor sich geht. Dem schließt sich im dritten Teil die Frage an, ob und welche Langzeitwirkungen die Trennung der Eltern für Kinder und Jugendliche haben kann. Im vierten und letzten Teil geht es schließlich um die aktuelle Diskussion darüber, welches Aufenthaltsmodell für Kinder getrennter Eltern das Beste ist. Wer mehr darüber lesen möchte, wie Eltern die Trennungssituation gemeinsam mit ihren Kindern am besten bewältigen und über Schutzfaktoren, die Kindern und Jugendlichen weiterhelfen, verweise ich auf mein zusammen mit dem Familienrichter Christoph Strecker geschriebenes  Buch „Kindern bei Trennung und Scheidung helfen. Psychologischer und juristischer Rat für Eltern“, dessen vierte Auflage kürzlich im Beltz Verlag erschienen ist.

 Was geht in den Kindern vor?

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Halt geben statt Grenzen setzen

Es scheint zurzeit sehr in Mode zu sein, Mauern zu bauen, Sperrzäune zu errichten oder Grenzen wieder enger zu ziehen. Egal, ob Trump sein Bauwerk gegen illegale Einwanderer aus Mexiko errichten lassen will, die EU versucht, sich mit Stacheldraht unerwünschten Flüchtlingen aus Nordafrika zu erwehren oder Rechtspopulisten wieder überall Grenzpfähle aufstellen und Grenzen ziehen möchten, immer geht es ihnen darum, sich vor schädlichen Einflüssen, die von außen kommen, „schützen“ zu wollen. Als würde ein „Feind“ vor der Tür stehen. Was sich hier in der großen Politik abspielt, soll nun auch vor der Erziehung unserer Kinder nicht Halt machen, zumindest sehen das manche so. Das Kind als natürlichen Feind.

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Strenge Erziehung schadet der Schulleistung!

Eine gute Bindung zu den primären Bezugspersonen wirkt sich auch in der Schulzeit positiv auf die Schulleistungen von Kindern und Jugendlichen aus. Es hat damit zu tun, dass ihr Selbstwertgefühl von Geburt an gefördert wird, wenn man ihnen auf ihre ersten Zeichen, Gesten und Worte feinfühlig antwortet und ihnen damit das Gefühl gibt, anerkannt zu werden. So fühlen sie sich angenommen und empfinden sich als wertvoll. Anerkennung des Kindes – „So, wie du bist, nehme ich dich an“, „So wie du bist, bist du wertvoll für mich“ – verleiht ihm innere Stärke und Durchhaltevermögen, auch dann, wenn es darum geht, später einmal schwierige Aufgaben in Angriff zu nehmen und sich nicht vor ihnen wegzuducken.

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