Wenn Grenzen von den Kindern als eine Mauer empfunden werden, die sie umgibt und in der sie eingesperrt werden, dann macht das die Kinder klein und schwach. Grenzen können Sicherheit geben. Sie können aber auch wie ein Gefängnis wirken. Wenn die Fremdbestimmung die Kinder so einschränkt, dass es nicht den Kindern nutzt, sondern dem Autoritätsgefühl der Erwachsenen, dann erniedrigt das die Kinder.
Erwachsene sind oft unsicher: Wann kann das Kind allein zur Schule gehen? Darf ich es auf einen Baum klettern lassen? Ab welchem Alter darf es einen Internetzugang haben? … Diese Unsicherheiten können dadurch, dass Grenzen gesetzt werden, nicht aufgehoben werden. Doch wir Erwachsenen sollten diese Unsicherheiten ernst nehmen und ihnen nachgehen, denn das dient dem Schutz der Kinder. Es gibt keine allgemeingültigen Wahrheiten, wann ein Kind allein zur Schule gehen kann und wann nicht. Das hängt von den Kindern ab, von den Straßen, dem Weg, den Verkehrsverhältnissen usw. Wir Erwachsene sollten Kinder schützen und dafür auch manche Sachen untersagen und wir sollten Mut haben zuzugestehen, dass Kinder selbst Risiken eingehen. Wer nicht hinfällt, kann auch nicht lernen aufzustehen. Das ist ein Balanceakt, der Kinder wie Eltern begleitet. Grenzen setzen ist folglich nichts Starres, sondern bedarf immer wieder der Überlegung und dem Nachspüren in der konkreten Situation.
Wenn ein Kind zum Beispiel im Supermarkt bei den Lockangeboten an der Kasse unbedingt eine Süßigkeit haben möchte, aber vorher schon einiges für das Kind in den Wagen gelegt wurde, besteht eine Grenzziehung darin, nein zu sagen. Das Kind mag das nicht. Das Kind wird sich an Ihnen, an den Erwachsenen reiben, aber das schadet dem Kind nicht. Auch im Streit spürt man sich und den anderen. Entscheidend ist, dass solche Grenzsetzungen respektvoll vorgenommen werden, dass nicht das Kind sich falsch fühlt, sondern dass man einen konkreten Wunsch, ein konkretes Handeln ablehnt und dazu nein sagt.