Kinder und Erwachsene sind grundsätzlich gleich. Sie sind Menschen. Sie haben das Recht, wie jeder Mensch geachtet und würdig behandelt zu werden. Und Kinder sind in mancher Hinsicht den Erwachsenen ungleich, denn sie haben weniger Erfahrung und sie brauchen Schutz. Wenn eine erwachsene Person dem Kind die Grenze setzt, nicht spielend auf eine befahrene Straße zu laufen, dann dient das deren Schutz. Entscheidend ist nicht, ob generell eine solche Grenze gesetzt wird, sondern ob dies respektvoll oder entwürdigend geschieht. Und wesentlich ist, wann welche Grenzen in welchen Situationen gesetzt werden. Eine Grenze zu setzen, wenn ein Kind in der Schule oder Kita ein anderes Kind verletzt, ist sinnvoll. Eine Grenze zu setzen, weil ein erwachsener Mensch seine Macht demonstrieren will, ist entwürdigend. Werden solche Unterscheidungen beachtet, können Grenzen Kinder in verschiedener Hinsicht unterstützen.
Durch die Erfahrung von Grenzen mit anderen Menschen werden Kinder sozialer. Denn das Gegenteil würde bedeuten, mit allem oder vielem ins Leere zu gehen. Wenn Kinder keine Reibung erfahren, entsteht Leere. Die Leere ist haltlos und maßlos. Kinder wollen ihre Freiheit. Und Sie wollen gleichzeitig wissen, woran sie sind.
Durch Erfahrungen von Grenzen können Kinder auch stärker werden. Das eigene Ich wächst, auch dadurch, dass Kinder Erwachsene manchmal blöd finden und sich an ihnen reiben. Reibung schafft Wärme, wenn sie respektvoll ist.
Jesper Juul hat gesagt, dass Kinder keine Grenzen brauchen, sondern Begegnungen mit Menschen, die Grenzen haben. Dass Kinder keine Grenzen brauchen, teile ich nicht. Aber dass sie Begegnungen mit Menschen brauchen, die auf ihre eigenen Grenzen achten und diese zeigen, ist vollkommen richtig. Es geht für uns Erwachsene nicht darum, sich von den Kindern abzugrenzen oder sie klein zu halten, sondern es geht um die eigene Würde. Dazu ist es wichtig mitzuteilen und zu zeigen, was ich möchte, was ich nicht möchte, was mich verletzt und was mir guttut. Dann sind Erwachsene auch Vorbilder für die Kinder für deren Handeln und Verhalten.