Von Claus Koch
Vor einigen Tagen war ich in meinem Viertel unterwegs und begegnete einer Schar von Kindern. Sie waren alle um die drei oder vier Jahre alt. Sechs von ihnen waren in einem großen Wagen untergebracht und saßen sich dort auf kleinen Bänken gegenüber. Drei der Kinder sahen neugierig zu mir hin, aber zwei andere schienen mit ihren leeren Augen nur vor sich hinzustarren. Vielleicht sind sie noch müde, dachte ich mir, denn es war frühmorgens. Andere Kinder wiederum liefen vor und neben dem Wagen herum, der von einer der beiden Erzieherinnen geschoben wurde. Ein weiteres Kind trottete mit gesenktem Kopf hinterher. Ich blieb stehen und sah noch einmal zu den beiden müden Kindern hin. Immer noch blickten sie nahezu teilnahmslos zur Seite. Das Kind, das hinterhergelaufen war, suchte jetzt die Hand der zweiten Erzieherin.
Die Lage an deutschen Kindertagesstätten ist skandalös. Sie sind chronisch unterbesetzt, was dazu führt, dass eine verlässliche Kinderbetreuung für viele Eltern nicht mehr möglich ist. Abends erfahren sie via WhatsApp, dass die Kita am nächsten Tag nur eine Notbesetzung hat und die Eltern ihre Kinder möglichst zu Hause lassen sollten. Oder dass der Betrieb statt um 17 Uhr bereits um 12 Uhr eingestellt werden muss. Nicht nur für die Eltern, sondern auch für ihre Kinder ein Riesenstress. Kinder, vielleicht auch die drei Kinder, denen ich morgens zusammen mit ihren kleinen Kameraden begegnet bin, brauchen Erzieherinnen, die feinfühlig auf sie und ihre Bindungswünsche eingehen können. Sie können Eltern nicht ersetzen, aber schon den Allkleinsten das Gefühl geben, gehört und gesehen zu werden. Sind sie zu zweit mit zehn oder sogar mehr Kindern unterwegs, ist dies kaum bzw. gar nicht möglich.
Um aus der Misere herauszukommen, sollen nun immer mehr Erzieherinnen auch ohne formale pädagogische Voraussetzungen eingestellt werden. In Niedersachsen können unter bestimmten Bedingungen auch die Eltern selbst oder Rentner dazukommen, in Bayern braucht eine Kitaleitung keine pädagogische Qualifizierung mehr. Das kann zum Beispiel auch eine Betriebswirtin übernehmen, die eher eine Kosten-Nutzen-Rechnung erstellen wird, als sich über die Beziehungskompetenz ihrer Mitarbeiterinnen Gedanken zu machen. Das eine hat sie gelernt, das andere nicht. Es wird Ausnahmen geben, Quereinsteiger*innen, die sich mit viel Liebe und Aufmerksamkeit den Kindern widmen. Aber die Gesamtsituation an deutschen Kinderkrippen und Kitas ist und bleibt für alle Beteiligten ein Skandal.
Quelle:
Mehr Quereinsteiger: Immer weniger pädagogische Fachkräfte in Kitas.