Fürsorge, ohne zu drängeln

Für andere Menschen zu sorgen, hat gegenwärtig bei vielen keinen guten Ruf. Es wird gefordert, man solle nur oder vor allem für sich selbst Verantwortung übernehmen und auch die Kinder dazu erziehen, immer für sich selbst zu sorgen. Diese Haltung teile ich nicht. Selbstverständlich ist es notwendig für sich Verantwortung zu übernehmen, aber warum sollte das im Gegensatz dazu stehen, sich um andere zu kümmern. Für andere Menschen zu sorgen, ist nicht schlimm, sondern gut. Eltern wohnt der Impuls zur Fürsorge für ihre Kinder inne. Erziehende, die daraus ihre Profession gemacht haben wie Fachkräfte in Kitas, Schulen oder Jugendhilfeeinrichtungen, sorgen sich um andere Kinder und das ist richtig. Also: Ein Lob der Fürsorge!

Doch Fürsorge sollte respektvoll geschehen, also ohne zu drängeln und zu bevormunden. Ich kümmere mich um dich. Ich passe auf dich auf. Ich sorge dafür, dass du keinen Gefahren ausgesetzt bist. Ich unterstütze dich darin, gut durchs Leben zu kommen – das sind Äußerungen und Haltungen, die den Kindern guttun. Doch sobald ein Muss dazukommt, sobald Fürsorge mit Druck und mit aus- oder unausgesprochenem Zwang verbunden ist, kann das schädlich sein. Das macht sich weniger an konkreten Handlungen fest, sondern an der Atmosphäre und an der Haltung, die dem Kind gegenüber gebracht wird. Ich kann mich um ein Kind kümmern und für sein Wohlergehen Sorge tragen UND ich kann gleichzeitig dem Kind vertrauen, dass es mit Schwierigkeiten auch eigenständig fertig wird oder in Zukunft fertig werden wird. Ich kann Hilfe anbieten UND dem Kind die Möglichkeit offenlassen, die Hilfe auch konkret abzulehnen. Ich kann die Not oder Empörung eines Kindes teilen, wenn ihm Ungerechtigkeit oder sonstiges widerfahren ist, UND ich kann mit dem Kind darüber reden, ob ich diejenigen, die das dem Kind angetan haben, selbst ansprechen soll, oder ob das Kind das allein machen möchte. Also Fürsorge, ohne zu drängeln!

Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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